Gramado & Canela – Südbrasilien entdecken
Die Stadt Titisee-Neustadt ist weltweit durch den Titisee im Hochschwarzwald bekannt und ist unter den Deutschen ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Doch, wer hätte gedacht, das sich in rund 10.400 Kilometer Luftlinie ein Ort im Süden Brasiliens befindet, der magisch an diese Natur und Örtlichkeit erinnert?
Der Lago Negro ist quasi der Ableger des deutschen Vorbilds in der gemütlichen Ortschaft Gramado und heißt die Besucher willkommen. Der Schwarze See wurde ursprünglich „Valle do Bom Retiro“ genannt. Nach einem Brand, der den riesigen Wald in der ganzen Region verwüstete, baute der damalige stellvertretende Bürgermeister, Leopoldo Rosenfeldt einen See und schmückte die Ufer mit Bäumen, die aus dem Schwarzwald importiert wurden. Daher kommt der Name „Lago Negro“ ( Schwarzer See) und trägt seitdem zum Qualitätstourismus im naheliegenden Umkreis bei.
Geschmückt mit einer Flaniermeile ähneln die Häuserfassaden und Vorgärten der Stadtgemeinde im Bundesland Rio Grande Do Sul doch sehr an die Architektur der Schwarzwald Ortschaft und das aus gutem Grunde.
Das heute bewohnte Gebiet war ursprünglich von indigenen Bewohnern bevölkert und von Einwanderern aus den Azoren bewirtschaftet.
Über mehrere Einwanderungswellen aus Deutschland und Italien entstand ab 1913 Gramado, als Abbild der ursprünglichen Heimat der Menschen und wurde durch eine wunderbare reichhaltige Natur und dank der kulinarischen Einflüsse aus den beiden Nationen, schnell zu einem Urlaubsort und Refugium für Brasilianer und für Aussiedler.
Man kommt hier nicht nur der Ruhe und der Natur wegen, sondern auch dank der Unterhaltung. Unzählige Museen, Parks und Schokoladenfabriken warten darauf erkundet zu werden. Ja, genau Schokolade ist nicht nur aufgrund des Geschmacks so beliebt, man darf nicht vergessen, das Brasilien einer der weltgrößten Produzenten des geliebten Kakaos ist und das spiegelt sich in Dutzenden von Produzenten in Gramado und dem Nachbarort Canela wider. Ein Anziehungspunkt nicht nur für die Einheimischen, beliebt bei Jung wie Alt, sind wahre Schlaraffenländer erschaffen worden, die einen sofort hier heimisch fühlen lassen.
Das Schlendern durch die Straßen erinnert doch stark an einen Touristenort in den europäischen Alpen mit Luxusshops, Restaurants und sogar Mikrobrauereien. Abwechslungsreich trinkt der Brasilianer nicht nur seinen geliebten Zuckerrohrschnaps „Cachaça“, nein auch der Bierkonsum liegt auf hohem Niveau. Das geliebte Cerveja darf nicht fehlen und wartet mit kräftigem Geschmack, ausgewogenem Aroma und einem beständigen Körper auf eine Verköstigung in den unzähligen gastronomischen Einrichtungen jeder Preisklasse.
Kaffeekranz im Hotel Ritta Höppner gefällig oder eine Nacht im Pensionshotel Grüner Berg? Die Hausnamen und Straßenzüge tragen häufig einen europäischen Namen und sind ausdrücklich Sinnbild der Ansiedlung der Immigranten. Selbst das so geliebte Schweizer Fondue findet hier seinen Repräsentanten und wird zum Abschluss in ein Gaumenfest heißer Schokolade auf Erdbeeren umgewandelt. So hätte ich mir Brasilien nie in meinen kühnsten Träumen vorgestellt.
Gramado – das Städtchen, was an Brüder Grimm erinnert
Die Rua Coberta ist der ideale Ort um in den gemütlichen Nachmittag zu starten oder mit einem Spaziergang die Sehenswürdigkeiten des Zentrums zu betrachten. Die überdachte kleine Promenade ist gepflastert und liegt direkt gegenüber des Palácio dos Festivais, der Heimat des Filmfestivals von Gramado, dem größten Treffen seiner Art von nationalen und internationaler Stars in Brasilien. Gesäumt mit Restaurants ist es ein Fotomotiv, welches eine Anziehung auf die Gäste hat.
Die Menükarten bieten Vermächtnisse der italienischen Gerichte und viel Fleisch an, welches wiederum ein Bekanntheitsgrad im ganze Land hat und mit den Nachbarländern Argentinien und Uruguay die Liebe zum Vieh teilt. Die bekannten Gaucho sind erfahrene Reiter, welche als mutig und gleichzeitig widerspenstig gelten. Ein nationales Symbol in den beiden Nachbarstaaten aber die auch immer mehr eine starke Kultur hier im äußersten Süden Brasiliens entwickeln, welche die Leckereien zum klassischen Churrasco fangen, was dann in traditioneller Zubereitung über Glut und Feuer serviert wird.
Canela und die Romantische Straße
Auf über 830 Meter Meereshöhe in rund 2 Stunden nördlicher Entfernung der Bundeshauptstadt Porto Alegre gelegen, blühen die Hortensien im brasilianischen Spätsommer in vielerlei Farbspielen. Rund um die Region Serra Gaúcha erstreckt sich auf 200 Kilometer Länge die Rota Romântica, die sogenannte Romantische Straße Brasiliens, welche ganz klar nach dem Vorbild aus Deutschland entstand. Eine atemberaubende Kulisse eröffnet sich hier und hat so gar nichts mit dem typischen Bild von Brasilien zu tun. Voller Spektakel stürzt vor den Toren von Canela der Cascata do Caracol 130 Meter rauschend in die Tiefe und zeugt von der Artenvielfalt in dieser grünen Umgebung.
Ein kleiner Nationalpark erklärt auf einem Bildungspfad die hiesige Fauna und Flora im Detail und das Zwitschern der bunten Vögel trägt zur Gelassenheit und zum inneren Frieden in diesem attraktiven Panorama bei. Für Motorradfahrer und Autofahrer sind die Strecken ein Traum und die Benutzung eines Mietwagens wird wärmstens empfohlen, wenn man sich nicht einem lokalen Tourguide anschließen möchte um so das optimale aus diesem Schauspiel und der Fahrt in die Vergangenheit herauszuholen.
Eine weitere Überraschung ist der nährstoffreiche Boden, der perfekte Anbaumöglichkeiten für Weinkultur bereithält und vor allem die italienischen Auswanderer aus dem Veneto, die über Genua und Triest in diese Gegend ab 1870 kamen, brachten die Rebstöcke aus der eigenen Heimat mit und bauten familieneigene Weingüter auf, die edle Tropfen von hochwertiger Qualität erwirtschaften. Die Brasilianer lieben vor allem Espumante, die brasilianische Version des Prosecco und der Schaumwein lässt sich in einer Hanglage zwischen Gramado und Canela mit einem Glanz Sonnenschein genießen.
Das Terrain erinnert stark an die hügelige Landschaft der weltweit besten Anbaugebiete in Europa und sollte unbedingt besichtigt werden, da diese imposante Lage der Terrassen die homogene Reifung der Trauben begünstigen. Das Weingut, Vitivinicola Jolimont wurde 1948 vom Franzosen Brierre gegründet, der als einer der Pioniere gilt im Anbau von Wein und Schaumwein. Der Tropfen ist lecker und sollte mehr Aufmerksamkeit genießen. Vielleicht ergibt sich hier noch ein weiteres Geschäftsfeld für die Importeure ausgezeichneter Weine in Europa, die etwas Ausgefallenes aus Übersee suchen.
Ein Streifzug, welcher unbedingt bei einem Besuch kombiniert werden muss, ist die Zugfahrt „Maria Fumaça“ von der charmanten Kleinstadt Carlos Barbosa aus. Beim Besteigen der alten Dampflokomotive fühlt man sich an eine Fahrt im Orient-Express erinnert und begibt sich auf eine aufregende Zeitreise auf den Spuren der italienischen Siedler vorbei an den Weinbaugebieten.
Klangvolle Städte auf der rund 20 Kilometer langen Fahrt wie Garibaldi und der Zielort Bento Gonçalves dienen als Kulisse für eine Aufführung von Schauspielern im Zug, die in musikalischer Darstellung Volkslieder und Weinverkostungen anbieten. Entlang der einheimischen Vegetation der Serra Gaucha ist dieses bewundernswerte Ereignis einen Tagesausflug wert.
In Carlos Barbosa wartet das Museum „Epopéia Italiana“ auf die Gäste, die Anteil an der Reise des italienischen Paares Lazaro und Rosa nehmen können. Das junge Paar verließ Italien 1875, gemeinsam mit hunderten von Mitmenschen, mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und dem Versprechen der damaligen brasilianischen Regierung ein Stück Land für die Migranten bereitzustellen.
In einer 37 Tage langen Überfahrt erreichten die Auswanderer schließlich die Freiheit in Südamerika und der Beobachter der Ausstellung wird hautnah durch neun Szenarien geführt und sieht dabei Nachbildungen und Original Dokumente der italienischen Emigranten, die den Grundstein dieses Landstrichs bilden.
Eine wahrhaft schöne Geschichte über die Liebe und den Kampf in einer befreienden Aktion, dargestellt in einem unterhaltsamen Ambiente.
Porto Alegre – Die Hauptstadt des Rio Grande Do Sul in Brasilien
Als krönenden Abschluss ist die Heimkehr nach Porto Alegre das i-Tüpfelchen auf dieser geschichtlichen Expedition in dem Staat mit der fünftgrößten Bevölkerung im Süden Brasiliens. Eine Millionenmetropole, die näher an Buenos Aires und Montevideo liegt, als an São Paulo oder Rio de Janeiro, war Ausgangspunkt dieser Bewegung und verdient eine Beteiligung in dieser Schilderung. Das historische Zentrum mit dem Mercado Público und den umliegenden Häusern im Kolonialstil am Rio Guaíba ist eine ikonische Ausgangsstätte für Feinschmecker.
Erbaut im Jahre 1869 finden sich hier über 100 Händler, Restaurants und Kunsthandwerker, die frische Früchte, Gemüse und Leckereien anbieten. Ein Durchstreifen ist eine wahre Freude und schnell kann noch ein Chimarrão als Andenken gekauft werden. Das Aufgussgetränk, auch unter dem Namen Mate-Tee bekannt, ist ein weiteres Erbe einer anderen Kultur und garantiert eine Besonderheit bei der Rückkehr im Freundeskreis in Deutschland.
Eine Kulturstätte der Stadt ist die Igreja Nossa Senhora Das Dores. Sie ist die älteste noch erhaltene Kirche der Stadt und zeigt einen eklektischen Stil, mit einer traumhaft schönen schneeweißen Fassade und im Inneren reich verziert mit vergoldeten Holzschnitzereien im spätbarocken Stil mit neoklassizistischen Elementen.
Die umliegenden Straßencafés zeugen von europäischen Spuren und dienen als Moment der Reflexion. Unsere Zeit nimmt ein Ende, doch können wir feststellen, dass die Sprache und auch das Brauchtum von einigen Nachfahren der Kolonisten auf der südlichen Halbkugel weiterhin gepflegt werden und spürbare Erinnerungen an das Heimatland aufzeigen.
Diese Vermischung aus europäischer Kultur und der brasilianischen gepfeffert mit der hohen Lebensqualität und Sicherheit, sollte jeden Brasilien Urlauber einmal überlegen lassen, die Großstädte Rio de Janeiro und São Paulo zu meiden und das andere Brasilien zu erleben, was eine Spiegelung der jüngeren Geschichte des Landes darstellt und mit Klarheit für lebhafte Erinnerungen sorgen wird.
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Weitere Eindrücke meiner Reise – mehr Details in den YouTube Videos auf „Marc on the road“